6 Beispiele für Anfeindungen im Netz gegenüber Frauen
Inhalt: 10 hours walking, Zehn-Pfund-Note in GB, # Gamergate, Revenge porn/non-consensual porn, Profx, Forscher_innen zum Thema Geschlecht, 4chan und Reddit; (Un-)Kulturen des Internets
„Keine Gemeinschaft definiert sich jemals als die Eine,
ohne sich sofort die Andere entgegenzusetzen.“ [1]
De Beauvoir (1949)
Anfeindungen treffen klassischerweise Menschen, die durch eine (oder bei Intersektionalität[2] mehrere) Eigenschaft(en) von den Ausgrenzenden im ersten Schritt als Teil der auszugrenzenden Gruppe definiert werden und daraufhin diese Gruppe als „anders“ und/oder minderwertig darstellen. Diese Zuschreibungen führen häufig zu der Annahme der Zuschreibungskategorie und Identifikation darüber.[3]
Diese Aus- und Abgrenzungen können in unterschiedlichen Kontexten auftreten; immer dann, wenn jemand das eigene „Ideal des Normalen“ verletzt sieht. Im Internet werden zum Beispiel Menschen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, durch Fotos oder Videos, die (teilweise unwissentlich) online von ihnen verbreitet werden, stark gemobbt, vorgeführt und lächerlich gemacht. Auch gibt es zahlreiche Angriffe gegen eine „andere“ Herkunft, gegen augenscheinliche Behinderungen oder – worin der Schwerpunkt dieser Seite liegt – gegen „das andere Geschlecht“,[4] Frauen. Das Geschlecht ist bis heute eine weltweit verbreitete und stark identitätsstiftende Kategorie, die auch online häufig als Distinktionsmerkmal wirkt.[5]
Wer sich generell mit Anfeindungen im Netz auseinandersetzt, kommt am Antifeminismus nicht vorbei. Das Netz bietet Raum für alle Positionen, auch antifeministische bzw. maskulinistische Strömungen können sich durch das Internet verstärken und weiter ausbreiten. Maskulinist_innen mischen in Diskussionen mit (neben dem Austausch in Foren[6] vor allem durch Kommentare unter Zeitungsartikeln) und bilden mit extremen Kommentaren die Speerspitze von antifeministischen Positionen, um Diskussionshorizonte zu erweitern und weniger extreme, aber auch antifeministische Haltungen gesellschaftsfähig zu machen.[7] Menschen, die sich öffentlich mit feministischen Themen auseinandersetzen und/oder dazu forschen, werden zum Teil öffentlich beleidigt, erhalten Gewalt- und teilweise sogar Todesdrohungen. Fälle finden sich zahlreich, ich möchte hier beispielhaft sechs darstellen, um anschließend auf die Hauptcharakteristika von digitalen Angriffen einzugehen.
10 hours walking
Als Teil des internationalen Netzwerks „Hollaback“ hat Shoshana Roberts 2014 ein Video veröffentlicht, um auf Alltagssexismus und Belästigungen im öffentlichen Raum aufmerksam zu machen. Dabei ging sie in schnellem Schritt unauffällig gekleidet durch Manhattans Straßen und wurde dabei von einer Kamera, die sich in dem Rucksack ihres vor ihr laufenden Freundes befand, gefilmt. Sie nahm keinen Blickkontakt auf und sprach mit niemandem, trotzdem wurde sie über 100-mal in den 10 Stunden, in denen sie durch Manhattan lief, angesprochen; teilweise liefen Männer minutenlang schweigend neben ihr her.
Das Setting des Videos wurde anschließend (neben zahlreichen Parodien) weltweit zum Vorbild für andere Aktivist_innen, um auf Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo im Januar 2015 lief ein Mann mit Kippa durch Paris’ Straßen. Im Video ist zu sehen, dass er beschimpft, bedroht und sogar bespuckt wurde („Social Experiment: Watch what happens when a Jewish man walks around Paris for 10 hours“). Ein weiteres Beispiel der 10-hours-walking-Aktionen ist eine, welche den Blick auf Homophobie in Russland lenken soll. In dem Video wird gezeigt, dass zwei in der Öffentlichkeit händchenhaltende Männer neben verbalen auch körperlichen Angriffen ausgesetzt sind („Reaction to gays in Russia social experiment“).
Der von StreetHarassmentVideo gepostete Zusammenschnitt der Aktion wurde bis heute über 44 Millionen Mal aufgerufen und zwischenzeitlich über 150.000-mal kommentiert. Der Großteil der Kommentare spielt die Situation herunter („Hat sie sonst keine Probleme?“, „Das sind doch nette Komplimente.“). Zu dem Unverständnis wurde ihr auch Hass entgegengebracht. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Clips erhielt sie mehrere Morddrohungen.[8]
Zehn-Pfund-Note in GB
Auf fünf der sechs britischen Geldscheine sind zurzeit Männer abgebildet. Der einzige, der eine Frau (Elizabeth Fry) zeigt, ist die Fünf-Pfund-Note – die mit dem geringsten Wert. Und diese sollte nun im Jahr 2016 durch Winston Churchill ersetzt werden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass auf keiner einzigen britischen Banknote mehr eine Frau abgebildet gewesen wäre.
Caroline Criado-Perez betreibt einen feministischen Blog[9] und setzte sich dafür ein, dass (mehr) Frauen auf den britischen Geldscheinen zu sehen sind. Ihre Kampagne hatte Erfolg: ab 2017 ist die Autorin Jane Austen auf den Zehn-Pfund-Scheinen vertreten. Criado-Perez wurde daraufhin auf den sozialen Netzwerken, allen voran Twitter, stark attackiert. Neben zahlreichen Beleidigungen und (Mord-)Drohungen wurde sie Opfer vom doxxing, einer extremen Grenzüberschreitung. Sie gilt als die letzte Eskalationsstufe von Onlineattacken. Beim doxxing werden persönliche Daten wie private Fotos, Kontakt- oder Versicherungsdaten einer Person im Netz für jede_n zugänglich gemacht. So wurde Criado-Perez’ angebliche Wohnadresse im Internet veröffentlicht.[10]
# Gamergate
Die Debatte zum Thema „Gamergate“ entspann sich vor allem um zwei Frauen: Anita Sarkeesian und Zoe Quinn. Die amerikanisch-kanadische Medienkritikerin Anita Sarkeesian untersucht seit 2012 in ihrem Blog Feminist Frequency[11] Sexismus in den Medien. So beschreibt sie sexistisches Marketing unter anderem anhand von Lego, untersucht die Oscarfilme mithilfe des Bechdel-Tests, und stellt in einer Videokolumne namens „Tropes vs. Women in Video Games“ Sexismus in Computerspielen dar. Dabei nahm sie über 300 Spiele unter die Lupe und stellt heraus, dass Frauen in den Spielen selten als starke Protagonistinnen auftreten, sondern nur als „Damsel in Distress“, also als „Jungfrau in Nöten“, als schwache, passive, häufig stark sexualisiert dargestellte „Hintergrunddekoration“ . Frauen agierten nicht selbst, sondern gelten als Antrieb (müssen gerettet werden) und Ziel; als Belohnung für vorangestellte Heldentaten.
So ist zum Beispiel in dem Jump’n’-Run-Spieleklassiker, welches in den 90ern für den Game-Boy entwickelt wurde – „Super Mario Land“ – Ziel des Spiels, die entführte Prinzessin Daisy zu retten.
Neben der starken Limitierung von Frauenrollen stelle Gewalt gegen Frauen und vor allem gegen Prostituierte ein immer wiederkehrendes Motiv in zahlreichen Spielen dar. Bei der Spielserie GTA (Grand Theft Auto), die mit über 150 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Spielen weltweit gehört, haben Spielende die Möglichkeit, Prostituierte nach dem Sex zu erschießen und auszurauben. Die GTA-Spiele stehen seit ihrem Erscheinen aufgrund von rassistischen und gewaltverherrlichenden Darstellungen stark unter Kritik. In dem fünften Teil der Spielserie muss der Spielende, um weiter zu kommen, einen Menschen foltern (mit einer Zange, Metallrohren, Elektroschockern oder durch Waterboarding). Diese Darstellung (bzw. das Erleben aus der 3D-Perspektive des Folternden) von Folter und die damit einhergehende Verharmlosung und Normalisierung wurde u.a. von Amnesty International kritisiert. Extreme Gewalthandlungen werden aus der Sicht des Täters gespielt und belohnt. Zum Beispiel ist es in GTA V möglich, eine Prostituierte nach dem Sex zu überfahren, mit einer Waffe auf die am Boden liegende, wimmernde Frau zu schießen und sie anschließend in Brand zu stecken.
Nachdem Sarkeesian 2012 mit einer Kickstarter-Kampagne über 150.000 Dollar für ihr Projekt sammelte, programmierten Gamer das Spiel „beat up Anita Sarkeesian“ (Anita Sarkeesian zusammenschlagen), bei dem es darum ging, Sarkeesian möglichst schnell ins Gesicht zu schlagen, bis sie k.o. geht. Zwei Jahre später wollte Sarkeesian an der Universität in Utah einen Vortrag halten. Ein sogenannter Marc Lépine drohte, das „schlimmste Schul-Massaker“ anzurichten, das Amerika je gesehen habe.[12] Feministinnen hätten sein Leben ruiniert und er würde sich rächen. Der Nickname des Angreifers bezieht sich auf den Lépine, der 1989 in Montreal in einer Ingenieursschule 14 Frauen erschoss mit dem Ausruf, er hasse Feministinnen. Da in Utah alle Personen mit einer gültigen Waffenlizenz eine Waffe bei sich tragen dürfen, wurde die Situation als zu unsicher eingestuft und Sarkeesians Auftritt abgesagt.[13]
Die Gamergatedebatte mit zugehörigem Hashtag bei Twitter (#Gamergate) kam 2014 richtig ins Rollen. Seitdem Zoe Quinn 2013 das Spiel „Depression Quest“, das einen Einblick in das Leben von depressiven Menschen geben soll, veröffentlichte, begannen die Anfeindungen gegen sie. Je erfolgreicher das Spiel wurde, desto härter wurden auch die Angriffe. Ihr Ex-Freund schrieb Blogeinträge, die neben privaten Beziehungsdetails die Anschuldigung enthielten, sie würde sich positive Rezensionen für das Spiel durch eine Affäre mit einem Spielejournalisten erschleichen. Obwohl besagter Journalist ihr Spiel nicht einmal rezensierte, nahmen die Anfeindungen gegen Quinn daraufhin noch weiter zu. Wie auch schon die zuvor beschriebene britische Aktivistin Criado-Perez wurde auch Quinn Opfer vom doxxing und zusätzlich von revenge porn. So wurden von Quinn private Daten wie ihre Wohnadresse, Konto-, Versicherungs-, und Krankenkassendaten und Nacktfotos gehackt und anschließend im Netz veröffentlicht.
Revenge porn/non-consensual porn
In den letzten Jahren ist im Internet ein Phänomen aufgetaucht und größer geworden, dass unter dem Begriff „revenge porn“ (Racheporno) oder unter „non-consensual porn“ (nicht einvernehmlicher Porno) bekannt geworden ist. Darunter versteht man die öffentliche Verbreitung intimer Fotos und/oder Videos im Internet ohne die Einwilligung der dargestellten Person.
In den allermeisten Fällen handelt es sich bei den Opfern dieser Bloßstellung um Frauen, bei den Tätern teilweise um die Ex-Partner oder Bekannte, aber auch um völlig Fremde. Auf den Foren werden die Fotos und Videos nicht nur verbreitet, sondern auch von den Usern be- und abgewertet (zum Beispiel durch Kommentare wie „Was für ein fetter Wal“[14]). Unzählige Frauen wurden bereits Opfer; es soll über 3.000 Webseiten geben, die nur für die Verbreitung dieser Darstellungen betrieben werden.[15] Eine der bekanntesten Seiten mit über 350.000 Aufrufen täglich war die Seite von Hunter Moore.[16] Er betrieb die Seite und richtete einen Bereich „Daily Hate“ (täglicher Hass) ein, der die Reaktionen der Opfer zeigte.
Diese öffentliche Bloßstellung der Frauen kann weitreichende Folgen für das Privat- und Berufsleben nach sich ziehen. Ist ein Bild einmal online gestellt, haben die Opfer die Kontrolle über das eigene Bild verloren. Die Verbindung von revenge porn und doxxing, also die Weiterverbreitung intimster Fotos/ Videos in Verbindung mit privaten Daten wie Name, Telefonnummer, Wohnadresse, Arbeitgeber_in bringt die Angriffe in eine neue Dimension, eine mit unvorstellbarer Härte gegen die Opfer.
Ein Fall zweier jugendlicher Star-Football-Spieler (16 und 17 Jahre) aus der amerikanischen Kleinstadt Steubenville entfachte weltweit Diskussionen[17] über „Rape Culture“ im allgemeinen und eine amerikanische „Rape Culture“ im speziellen.
„Sie [die beiden Football-Spieler, LT] hatten im Sommer 2012 eine bewusstlose 16-Jährige wie eine leblose Puppe von Party zu Party geschleppt, sie mehrfach vergewaltigt und mutmaßlich auch auf sie uriniert. Alle Stationen der Nacht haben die Jungen selbst – oder ihre Freunde mit Fotos, Twittermeldungen und SMS dokumentiert.“[18] Fritzsche/Freisberg (2013)
Es gibt bereits Fälle, die der Öffentlichkeit bekannt sind, bei denen junge Frauen Suizid begangen, nachdem sie Opfer von non-consensual porn geworden sind.[19]
Potentielle Opfer von non-consensual porn sind nicht nur Ex-Partnerinnen oder Bekannte, sondern es kann auch völlig fremde Personen treffen. Im Jahr 2014 wurden in vier Wellen über mehrere Monate hinweg intime Privatfotos von Stars im Internet gepostet und weiterverbreitet. Das Unternehmen Apple bietet mit der icloud eine Möglichkeit für seine Kund_innen an, Daten virtuell zu speichern. Somit können die Nutzer_innen überall auf die eigenen Daten zugreifen und müssen sie nicht zwischen verschiedenen Geräten synchronisieren. Bisher galt der Hersteller als relativ sicher gegenüber Viren und Hackern, aber 2014 wurden zahlreiche icloud-Accounts durch eine Sicherheitslücke der Funktion „find my Phone“ gehackt. Im Zentrum der Angriffe standen junge, berühmte Amerikanerinnen wie die Schauspielerin Jennifer Lawrence, die Sängerin Rihanna oder bekannte Models. Am 31. August 2014 tauchten erstmals auf 4chan tausende Privatfotos von über 100 Frauen auf, auch eine minderjährige Olympiasiegerin war betroffen. Dieses Vergehen wurde von vielen User_innen unter dem Motto „The Fappening“ gefeiert, als Zusammensetzung von „fap“ (englisch umgangssprachlich für männliche Masturbation) und „happening“ (Großereignis). Von 4chan aus verbreiteten sich die Bilder schnell im Internet. Auf Reddit gab es ein eigens für die Fotos eingerichtetes Unterforum mit über 75.000 Abonent_innen an einem Tag. Diese (schrittweisen) Veröffentlichungen verbreiteten Unsicherheit. Keine wusste, ob auch der eigene Account gehackt wurde und sie demnächst eine Veröffentlichung befürchten müsse.
In einem Fall wurde explizit zur Einschüchterung mit der Veröffentlichung von Nacktfotos gedroht. Emma Watson, bekannt durch ihre Schauspielrolle der Hermine Granger der Harry Potter Verfilmungen und mittlerweile UN-Botschafterin für Frauenrechte, hielt im September letzten Jahres eine vielbeachtete Rede vor den Vereinten Nationen. Darin stellte sie die HeforShe-Kampagne vor. Diese beinhaltet im Kern, dass Geschlechtergerechtigkeit alle Menschen angehe und sich deswegen alle Menschen – unabhängig vom Geschlecht – für eine geschlechtergerechtere Gesellschaft einsetzen sollten. Diese Kampagne richtet sich vor allem bei der Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit an die Männer: „Genderequality is your issue, too.“.
Nach der Rede wurde auf der Homepage EmmaYouAreNext.com ein Countdown angezeigt. Es wurde angenommen, dass in vier Tagen zum Ablauf der Zeit, Nacktfotos der 24-jährigen im Internet auftauchen würden. Auch versuchten zahlreiche User_innen, Twitter mit dem Hashtag #RIPEmmaWatson zu fluten, der ihr Ableben andeuten sollte. Nach Ablauf der vier Tage tauchten keine Fotos von Watson auf. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Homepage ein Hoax einer PR-Firma mit fragwürdigen Methoden war. In einem offenen Brief forderte sie die Zensierung des Internets, um die Verbreitung von Nacktfotos zu unterbinden. Das makabre Vorgehen der Betreiber_innen hatte allerdings nicht den gewünschten Erfolg, sondern schaffte Feinde auf allen Seiten: zum einen User_innen von 4chan, die die anonyme Internetkultur leben, zum anderen alle Menschen, die die Drohung als ernste Gefahr einstuften – was nach den vorhergehenden Veröffentlichungen wohl eine Vielzahl von Menschen gewesen sein dürfte.
Profx, Forscher_innen zum Thema Geschlecht
Auch Menschen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema der Geschlechterverhältnisse beschäftigen, sind Anfeindungen ausgesetzt. Als Beispiele aus dem wissenschaftlichen Bereich können Lann Hornscheidt oder Heinrich Rosenbrock genannt werden. Lann Hornscheidt hatte eine Professur für Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin inne und befasst sich unter anderem mit gendergerechter Sprache. Hornscheidt entwickelte einen Ansatz mit, bei dem die geschlechtsanzeigenden Wortanhänge mit einem „x“ ersetzt werden könnten. Auf Hornscheidts Universitätshomepage stand der Wunsch, Schreiben mit „Sehr geehrtx Profx. Lann Hornscheidt“ einzuleiten. Nachdem ein Screenshot dieser Seite bei Facebook geteilt wurde, wurde Hornscheidt stark attackiert – bekam Morddrohungen, Schlachtungsphantasien und Vergewaltigungsabsichten geschickt. Allein ein Befassen mit feministischen Themen reicht anscheinend aus, um attackiert zu werden. Im SWR2-Beitrag über Maskulinismus wird berichtet:
„Nachdem der Sozialpsychologe Hinrich Rosenbrock seine Studie über Maskulinismus veröffentlicht hatte, bekam er im Internet und per Email Morddrohungen. Alle Experten, die in dieser Sendung zu Wort kamen, wurden bereits beleidigt. Auch Ilse Lenz, Professorin für Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum. Sie hat die Studie von Hinrich Rosenbrock betreut.“ [20] Bust-Bartels (2015)
4chan und Reddit; (Un-)Kulturen des Internets
4chan und Reddit sind einflussreiche Internetforen. Brutaler und unkontrollierter als Reddit ist die Seite 4chan.[21] Das englischsprachige Imageboard wurde 2003 gegründet und gehört mittlerweile zu den meistbesuchten Webseiten weltweit.[22] Hier werden Bilder in verschiedenen Unterforen anonym veröffentlicht und diskutiert. Im Gegensatz zu anderen Foren sind die Bilder hier sehr kurzlebig, da die Beiträge der Threads nach Aktualität dargestellt werden und nach kurzer Zeit gelöscht werden.
Es ist ein Forum, in dem sehr extreme und verstörende Bilder gepostet werden. Das beliebteste Unterforum mit über 350.000 anonymen Posts am Tag ist „/b/“.[23] Die Stammleser_innen bezeichnen sich selbst als „/b/tards“ mit Bezug auf das englische Wort „retard“ (Behinderte_r).[24] 4chan ist eine eigene Subkultur, es gibt zahlreiche Codes und Sprüche, die für Außenstehende nicht zugänglich sind. In dem Unterforum /b/ werden beispielsweise diverse neue Worte mit der Endung „fag“ („Schwuchtel“) gebildet (z.B. für Neue User_innen „newfag“ oder für deutsche Nutzer_innen „germanfag“).[25] Alles, bis auf extreme Gesetzesverstöße, ist erlaubt; so werden Bilder zu Hardcore-Pornografie oder auch expliziter Gewaltdarstellung (Gore) gezeigt. 4chan ist ein Auffangbecken für Trolle und die Geburtsstätte von Anonymous. Die Fotos der gehackten icloud-Accounts wurden hier veröffentlicht, User_innen der Foren 4chan und 9gag verbreiteten 2011 intime Bilder von der jugendlichen Amanda Cummings und beleidigten sie.[26] Nachdem sich das Mädchen nach zahlreichen digitalen Anfeindungen das Leben nahm, wurde sogar der Facebookaccount, der zu ihrem Gedenken eingerichtet wurde, mit Hateposts geflutet.
Eine weitere einflussreiche Seite ist Reddit.[27] Sie ist mit über 175 Millionen Nutzer_innen eine der meistbesuchten Webseiten weltweit und bezeichnet sich selbst als „Startseite des Internets“.[28] Der Name Reddit ist eine Zusammensetzung aus „read“ (lesen) und „edit“ (bearbeiten) und bezieht sich auf „read it“ (habe es gelesen).[29] User_innen können auf diesem „Social-News-Aggregator“[30] Inhalte (Texte und vor allem leicht und schnell konsumierbare Fotos, GIFs und Videos) hochladen.
Die Beiträge werden nicht wie bei 4chan nach Aktualität, sondern nach Beliebtheit angezeigt. Von der Community werden die Beiträge bewertet und bei positiver besser, bei niedriger Bewertung schlechter sichtbar platziert. Damit dient die Seite als Aufmerksamkeits-Aggregator.[31] Viele Themen, die sich viral durch soziale Netzwerke wie Facebook verbreiten, finden hier ihren Anfang. Die Seite Reddit ist in Subreddits, also in thematische Unterforen gegliedert, die zum größten Teil von Nutzer_innen selbst moderiert werden. Es sollen über 200.000 Subreddits auf der Seite vorhanden sein.[32] Die Themen decken alles Vorstellbare (und Unvorstellbare) ab. Es gibt ein Subreddit, indem das Verschenken von Pizzas koordiniert wird, AMA (Ask me anything), bei dem unter anderem Barack Obama schon Rede und Antwort stand, bis hin zu Unterforen, in denen „Bilder getöteter Kinder[…], heimlich gemachte Aufnahmen von Teenagern in Unterwäsche oder von Frauen, die beim Sex gewürgt oder von Männern geschlagen werden“[33] gezeigt werden.
Zeitweise war der Subreddit namens „/r/jailbait“ (Knastköder) der zweitmeist gesuchte Begriff auf Reddit. Hier wurden Bilder von Teenagern, bei denen die User_innen des Forums sexuelle Fantasien hegten, gepostet. Der Name des Unterforums leitet sich daher ab, dass sexuelle Handlungen mit den dargestellten Jugendlichen die Täter aufgrund des Alters ins Gefängnis bringen könnte. Reddit betrieb zahlreiche hass- und gewaltdarstellende weitere Unterforen, wie beispielsweise
„/r/fatpeoplehate“,
„/r/rapingwomen“,
„/r/philosophyofrape“,
„/r/beatingfatties“,
„/r/SatanicBabyRape“,
„/r/rapingwomenlol“,
„/r/hurtkids“,
„/r/beatingblackpeople“ ,
„/r/BeatingAutistics“ oder
„/r/RapingRetards“.[34]
Unterforen wie diese auf den Seiten von 4chan oder Reddit stellen perfekte Nährböden für Gewalt und Hass dar.