AUFSTEHEN gegen Hass im Netz

feministische Website gegen Hate Speech

Protest Women´s March, FeminismusProtest am Women's March am 21.01.2017 in London. Bildquelle: http://www.denverpost.com/2017/01/21/womens-marches-attract-masses-across-the-globe/.

Das zen­tra­le The­ma der Sei­te sind ganz über­grei­fend: An­fein­dun­gen im Inter­net. Denn die Me­cha­nis­men von Ras­sis­mus, Se­xis­mus und an­de­ren Dis­kri­mi­nie­rungs­for­men über­schnei­den sich in vie­len Punk­ten. Men­schen, die durch die Zu­schrei­bung von Dis­kri­mi­nie­rungs­ka­te­go­rien, wie ei­ner au­gen­schein­li­chen Be­hin­der­ung, ei­ner „an­de­ren“ Her­kunft, oder dem „an­de­ren“ Ge­schlecht,[1] im Off­line-Le­ben Dis­kri­mi­nie­run­gen aus­ge­setzt sind, schlägt im Netz häu­fig pu­rer Hass ent­ge­gen.

Hier­bei lässt sich be­son­ders gut be­ob­ach­ten, wel­che de­fi­nier­ten Grup­pen ei­ne Ge­sell­schaft aus­schließt. Wenn ein Mensch nur auf­grund sei­nes Aus­se­hens, das nicht kom­plett der Norm ent­spricht, als Meme lä­cher­lich ge­macht wird,[2] zeigt sich, wie we­nig Res­pekt für Ab­wei­chun­gen von der – künst­lich ge­form­ten und sel­ten er­reich­ten – Norm vor­han­den ist.

Der Schwer­punkt der Web­sei­te liegt auf se­xis­ti­schen Über­grif­fen. Von se­xis­ti­schen An­grif­fen kön­nen da­bei al­le Ge­schlech­ter be­trof­fen sein, wenn sie nicht ge­schlechts­kon­for­mes Ver­hal­ten zei­gen. Frau­en, die mit ei­ner po­li­ti­schen Mei­nung öf­fent­lich prä­sent sind, Män­ner, die in klas­sisch Frau­en zu­ge­schrie­be­nen Be­rei­chen ak­tiv sind und bei­spiels­wei­se über Fa­shion und Life­style blog­gen, oder Men­schen, die sich nicht den bi­po­la­ren Ge­schlechts­ka­te­go­rien zu­ord­nen, ha­ben ein ho­hes Ri­si­ko, von se­xis­ti­schen An­grif­fen be­trof­fen zu wer­den. Mi­so­gy­nie (Hass ge­gen Frau­en) und ex­pli­zi­ter An­ti­fe­mi­nis­mus (der sich auch ge­gen die Quee­re Com­mu­ni­ty stellt) sind oft zu be­ob­ach­ten­de Phä­no­mene im In­ter­net. Bei ei­ner breit an­ge­leg­ten Un­ter­su­chung des Kom­men­tier­ver­hal­tens der ei­gen­en Le­ser_in­nen hat der Guar­di­an 2016 he­raus­ge­fun­den, dass acht der zehn meist­ge­has­sten Au­tor_in­nen weib­lich wa­ren, die bei­den Män­ner wa­ren People of color.[3]

Although the majority of our regular opinion writers are white men, we found that those who experienced the highest levels of abuse and dismissive trolling were not. The 10 regular writers who got the most abuse were eight women (four white and four non-white) and two black men. Two of the women and one of the men were gay. And of the eight women in the “top 10”, one was Muslim and one Jewish.
And the 10 regular writers who got the least abuse? All men. Gardiner et al. (2016)

 

Ge­sell­schaft­lich vor­han­de­ne Dis­kri­mi­nie­rungs­ka­te­go­rien zei­gen sich in di­gi­ta­len An­fein­dun­gen

Dis­kri­mi­nie­rungs­ka­te­go­rien, die in der Ge­sell­schaft vor­han­den sind, kön­nen durch di­gi­ta­le An­fein­dun­gen sicht­bar ge­macht wer­den. So wer­den Men­schen häu­fig nicht auf­grund von Hand­lun­gen oder Aus­sa­gen an­ge­grif­fen, son­dern, weil sie ei­ner be­stimm­ten (so­zial kon­stru­ier­ten) Grup­pe an­ge­hö­ren.

„Na­tür­lich rich­tet sich Cy­ber­mob­bing auch ge­gen Män­ner. Fach­leu­te se­hen aber ei­nen Un­ter­schied: Män­ner wür­den meist als Per­son, also we­gen ih­rer Mei­nun­gen oder Ta­ten at­ta­ckiert und nicht als Grup­pe, al­so weil [Her­vor­he­bung im Ori­gi­nal] sie Män­ner sei­en. Auch wer­de ih­nen sel­te­ner Ge­walt an­ge­droht.“[4]  Borchardt (2015)

Ab­leh­nun­gen von An­ge­hö­ri­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rungs­ka­te­go­rie las­sen sich on­line leich­ter aus­le­ben und eta­blie­ren. Durch Hate Speech wer­den die An­ge­grif­fen­en nicht als In­di­vi­duen mit vie­len Facet­ten, son­dern le­dig­lich über das aus­schlie­ßen­de Merk­mal mit zu­ge­hö­ri­gen ste­reo­ty­pen Ei­gen­schaf­ten wahr­ge­nom­men. Fal­sche In­for­ma­tio­nen und Ge­rüch­te las­sen sich im In­ter­net leicht ver­brei­ten. Auch ei­ne Ent­mensch­li­chung, das zen­tra­le Ele­ment der Hate Speech, ist oh­ne ein in-die-Au­gen-schau­en, oh­ne wirk­li­ches Se­hen des Ge­gen­übers, oh­ne di­rek­te Be­geg­nung mit der Per­son leich­ter mög­lich.

Die Kul­ti­vie­rung von Hass

Neben psy­chi­schen Ver­letz­un­gen, le­gen di­gi­ta­le Dro­hun­gen auch den Grund­stein für kör­per­liche An­grif­fe: Aus Frau­en­hass rich­te­te im Mai 2014 der 22-jäh­ri­ge Ka­li­for­nier El­liot Ro­ger ein Blut­bad an, tö­te­te sechs Men­schen und an­schlie­ßend sich selbst. Er kün­dig­te sei­ne Tat in ei­nem Vi­deo an und ver­fass­te ein Ma­ni­fest, in dem sein Mo­tiv deut­lich wur­de. Ro­ger sah sich als Teil der so­ge­nann­ten „In­cels“. In­cel steht für „in­vo­lun­ta­ry ce­li­ba­cy" (un­frei­wil­li­ge Ent­halt­sam­keit). Die sich die­ser Grup­pe zu­ge­hö­rig Füh­len­den eint Ein­sam­keit und Hass ge­gen Frau­en. Ta­kis Wür­ger be­schrieb im SPIE­GEL das Phä­no­men fol­gen­der­ma­ßen:

„Vie­le Män­ner aus der Ge­mein­schaft der In­cels fin­den schlicht kei­nen Part­ner [sic!] und su­chen Hil­fe im In­ter­net. Für sie sind die Fo­ren viel­leicht die Ret­tung. Für an­de­re Män­ner bie­ten die Fo­ren die Ge­le­gen­heit, ih­ren Hass in ei­ner Grup­pe zu kul­ti­vie­ren. Vor 20 Jah­ren wä­ren sol­che Men­schen mit ih­ren bö­sen Ge­dan­ken al­lein in ih­rer Höh­le ge­blie­ben.“ [5] Würger (2014)


Aus­tes­ten und Er­wei­tern von Gren­zen

Bei die­ser Kul­ti­vie­rung von Hass im Netz setzt die­se Sei­te an. An­fein­dun­gen im In­ter­net ge­hen Ge­walt­ta­ten vo­raus und be­glei­ten sie fort­wäh­rend. Ein Aus­tes­ten (und Er­wei­tern) von Gren­zen, ein Ver­net­zen un­ter­ein­an­der, ein ge­gen­sei­ti­ges An­hei­zen und Ver­ge­wis­sern, was man noch sa­gen dür­fe, ist on­line pro­blem­los mög­lich.

Die Fra­ge nach dem Um­gang mit Hass im Netz

An­fäng­lich wur­den vor dem Pro­blem der An­fein­dun­gen im In­ter­net die Au­gen ver­schlos­sen. Als weit ver­brei­te­te Stra­te­gie für den Um­gang mit sol­chen An­fein­dun­gen galt das Ig­no­rie­ren: „Don‘t feed the troll“.

„Lässt man sich auf die Trol­le ein, wer­den die­se In­di­vi­du­en nur noch mehr an­ge­spornt. Don’t feed the trolls [Her­vor­he­bung im Ori­gi­nal] ist des­halb die ers­te Re­gel im Um­gang mit ih­nen: Die Trol­le nicht füt­tern, son­dern ig­no­rie­ren oder gleich aus­sper­ren.“ [6] Reiss­mann et al. (2012)

Doch durch das Ig­no­rie­ren und Weg­se­hen als al­lei­ni­gen An­satz konn­ten sich ex­tre­me Mi­li­eus erst un­ge­se­hen und un­ge­stört kul­ti­vie­ren. Ge­stärkt durch jah­re­lan­ges In-Ru­he-ge­las­sen-Wer­den sind die Hate Speech-Red­ner_in­nen selbst­be­wusst ge­wor­den.

Der Ho­Ge­Sa-Auf­marsch 2014 in Köln, die Bil­dung und Ver­brei­tung von PE­GI­DA und der AfD kam für vie­le Bür­ger_in­nen über­ra­schend. Ra­di­ka­le Min­der­hei­ten ge­hen auf die Stra­ßen, tre­ten laut und ag­gres­siv auf. Nach­dem vie­le zu­erst ver­stein­ert wa­ren, wird nun zu­neh­mend dis­ku­tiert, wie mit An­fein­dun­gen im In­ter­net um­zu­gehen ist.

Zen­tra­le Fra­gen, die hier the­ma­ti­siert wer­den, sind:

  • Wie se­hen sexistische An­grif­fe im In­ter­net aus?
     
  • Wie kön­nen die Me­cha­nis­men di­gi­ta­ler An­grif­fe cha­rak­te­ri­siert wer­den? Was macht die neue Di­men­sion der di­gi­ta­len An­grif­fe im Ver­gleich zu der Zeit vor dem In­ter­net aus?
     
  • Wie kann ei­ne mög­liche Ty­po­lo­gi­sie­rung für An­fein­dun­gen im In­ter­net be­schrie­ben wer­den?
     
  • Was macht den neu­en An­ti­fe­mi­nis­mus aus, der sich über das In­ter­net ver­netzt? Was sind die The­sen, Stra­te­gien und Zie­le?
     
  • Wie wird den An­fein­dun­gen im In­ter­net auf un­ter­schied­li­chen Ebe­nen der Ge­sell­schaft der­zeit ent­ge­gen­ge­tre­ten? Und was können An­satz­punk­te für ein wei­te­res Vor­ge­hen sein?

Lizzie Velásquez kann auf­grund ei­ner sel­ten­en Krank­heit kein Fett ein­la­gern und wird des­halb im­mer wie­der Op­fer von Bo­dy-Sha­ming-At­ta­cken. In ei­nem You­tube-Vi­deo wur­de sie als "häss­lichs­te Frau der Welt" dif­fam­iert und durch ver­schie­de­ne Memes be­lei­digt.